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#10 – „Barrierefreiheit des Gesetzes“

„Der Zweck heiligt die Mittel.« Aber ein Zweck, der unheiliger Mittel bedarf, ist kein heiliger Zweck […].“ – Karl Marx

 In der heutigen Folge mit Jakob sprechen wir über die Barrierefreiheit des Gesetzes. Wieso sind Gesetze so kompliziert geschrieben? Ist es verhältnismäßig, bei einem 103-seitigen Merkblatt zu sanktionieren, sollten Anspruchnehmende den Vorgaben darin nicht nachkommen? Vor welchen Türen stehen körperlich eingeschränkte Menschen? Um diese Fragen und viele mehr dreht sich die heutige Folge. 

Steuerentlastung – Jakob liest aus dem Gesetz vor

Energiesteuergesetz (EnergieStG)
§ 55 Steuerentlastung für Unternehmen in Sonderfällen

(1) Eine Steuerentlastung wird auf Antrag gewährt für Energieerzeugnisse, die nachweislich nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1, 3 bis 5 versteuert worden sind und die von einem Unternehmen des Produzierenden Gewerbes im Sinne des § 2 Nr. 3 des Stromsteuergesetzes zu betrieblichen Zwecken verheizt oder in begünstigten Anlagen nach § 3 verwendet worden sind. Eine Steuerentlastung für Energieerzeugnisse, die zur Erzeugung von Wärme verwendet worden sind, wird jedoch nur gewährt, soweit die erzeugte Wärme nachweislich durch ein Unternehmen des Produzierenden Gewerbes genutzt worden ist.

(1a) (weggefallen)

(2) Die Steuerentlastung beträgt für ein Kalenderjahr 90 Prozent des Steueranteils nach Absatz 3, jedoch höchstens 90 Prozent des Betrags, um den die Summe aus dem Steueranteil nach Absatz 3 und der Stromsteuer nach § 10 Absatz 1 Satz 1 bis 4 des Stromsteuergesetzes im Kalenderjahr den Unterschiedsbetrag übersteigt zwischen

  1. dem Arbeitgeberanteil an den Rentenversicherungsbeiträgen, der sich für das Unternehmen errechnet, wenn in dem Kalenderjahr, für das der Antrag gestellt wird (Antragsjahr), der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung 20,3 Prozent und in der knappschaftlichen Rentenversicherung 26,9 Prozent betragen hätte, und
  2. dem Arbeitgeberanteil an den Rentenversicherungsbeiträgen, der sich für das Unternehmen errechnet, wenn im Antragsjahr der Beitragssatz in der allgemeinen Rentenversicherung 19,5 Prozent und in der knappschaftlichen Rentenversicherung 25,9 Prozent betragen hätte.

Sind die Beitragssätze in der Rentenversicherung im Antragsjahr niedriger als die in Satz 1 Nr. 2 genannten Beitragssätze, so sind die niedrigeren Beitragssätze für die Berechnung des Arbeitgeberanteils nach Satz 1 Nr. 2 maßgebend.

(3) Der Steueranteil (Absatz 2) beträgt

1. für 1 MWh nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 4 versteuerte Energieerzeugnisse 2,28 EUR,
2. für 1 000 kg nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 5 versteuerte Energieerzeugnisse 19,89 EUR,
. für 1 000 l nach § 2 Absatz 3 Satz 1 Nummer 1 oder Nummer 3 versteuerte Energieerzeugnisse 5,11 EUR,

Sich ins falsche Gesetz zu verirren, ist nicht ungewöhnlich bei langen Gesetzesketten

Gesetzestexten können lang sein. Auf dem Weg der Subsumtion ist es nicht unüblich, ab und an falsch abzubiegen, da die Verknüpfungen verschiedenster Gesetze leicht im Irrgarten enden können. Der folgende Auszug aus einem zu prüfenden Fall im Rahmen meines Studiums soll euch einen kleinen Einblick in die Komplexität des Themas geben.

 

Auszug aus einer bauordnungsrechtlichen Prüfung:

Im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften / Illegalität

  1. Formelle Illegalität

Obersatz: Formell illegal ist eine Anlage, wenn sie gegen öffentlich-rechtliche Vorschriften verstößt. Fraglich ist nun hier ob, es sich bei S´ Vorhaben des Anbaus an sein Wochenendhaus (a) und des Hundezwingers (b) um genehmigungsbedürftige Vorhaben i.S.d. §59 BbgBO handelt.

Grundsatz der Genehmigungsbedürftigkeit: 59 Abs. 1 Satz 1 BbgBO ist der sogenannte Genehmigungsgrundsatz. Er besagt, dass die Errichtung, die Änderung und die Nutzungsänderung baulicher Anlagen grundsätzlich einer Baugenehmigung bedarf, soweit keine Ausnahmetatbestände nach §§60 bis 62, 76 und 77 BbgBO greifen.

Nun wird es spannend, denn was ich in der Folge zu bedenken gab, ist, dass die Entscheidung im Einzelfall schwerfallen kann. Wenn also in genehmigungsfreie und genehmigungsbedürftige Anlagen unterschieden wird, muss im § 61 BbgBO geschaut werden, ob die im Sachverhalt beschriebene Anlage zu den genehmigungsfreien Anlagen zählt.

Im folgenden der § 61 BbgBO, nur 3 A4-Seiten füllend:

§ 61 BbgBO – Genehmigungsfreie Vorhaben

 

Hundepension

Laut SV handelt es sich bei der Hundepension um die Änderung der Beschaffenheit das Wochenendhauses (siehe oben) einer baulichen Anlage (siehe oben) – S Er richtet nämlich einen 4 m hohen Anbau mit einer Grundfläche von 100 m² – weswegen dieser Anbau einer Genehmigung i.S.d. §59 Abs. 1 Satz 1 BbgBO bedarf. Ausschlussgrund nach §61 BbgBO sind nicht ersichtlich.

Die Hundepension entspricht einer genehmigungsbedürftigen Anlage nach §59 Abs. 1 Satz 1 BbgBO. Der Sachverhalt gibt her, dass er die Genehmigung nicht beantragt habe, er war der Auffassung, niemand wäre dort gestört. Somit fehlt ihm die erforderliche Genehmigung.

 

Zwischenergebnis formelle Illegalität:

Hundepension

Bei der Hundepension handelt es sich also um eine formell illegale Anlage, die im Widerspruch zu öffentlich-rechtlichen Vorschriften steht. Wichtig ist es, bereits hier darauf aufmerksam zu machen, dass die alleinige formelle Illegalität nicht ausreichend für eine Abrissverfügung ist. Bei einer Abrissverfügung müssen sowohl die formelle als auch die materielle Illegalität kumulativ vorliegen.

 

 

Festschreibung der Barrierefreiheit im Gesetz

Grundgesetz für die Bundesrepublik Deutschland
Artikel 3 (Diskrimminierungsverbot)

(1) Alle Menschen sind vor dem Gesetz gleich.

(2) Männer und Frauen sind gleichberechtigt. Der Staat fördert die tatsächliche Durchsetzung der Gleichberechtigung von Frauen und Männern und wirkt auf die Beseitigung bestehender Nachteile hin.

(3) Niemand darf wegen seines Geschlechtes, seiner Abstammung, seiner Rasse, seiner Sprache, seiner Heimat und Herkunft, seines Glaubens, seiner religiösen oder politischen Anschauungen benachteiligt oder bevorzugt werden. Niemand darf wegen seiner Behinderung benachteiligt werden.

 

Die UN-Behindertenrechtskonvention (UN-BRK), Artikel 9

(1) Um Menschen mit Behinderungen eine unabhängige Lebensführung und die volle Teilhabe in allen Lebensbereichen zu ermöglichen, treffen die Vertragsstaaten geeignete Maßnahmen mit dem Ziel, für Menschen mit Behinderungen den gleichberechtigten Zugang […] zu […] Information und Kommunikation, einschließlich Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen […] zu gewährleisten. Diese Maßnahmen, welche die Feststellung und Beseitigung von Zugangshindernissen und -barrieren einschließen, gelten unter anderem für

  1. […]
  2. Informations-, Kommunikations- und andere Dienste, einschließlich elektronischer Dienste und Notdienste.

(2) Die Vertragsstaaten treffen außerdem geeignete Maßnahmen,

  1. um Mindeststandards und Leitlinien für die Zugänglichkeit von Einrichtungen und Diensten, die der Öffentlichkeit offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, auszuarbeiten und zu erlassen und ihre Anwendung zu überwachen;
  2. um sicherzustellen, dass private Rechtsträger, die Einrichtungen und Dienste, die der Öffentlichkeit offenstehen oder für sie bereitgestellt werden, anbieten, alle Aspekte der Zugänglichkeit für Menschen mit Behinderungen berücksichtigen;
  3. […]
  4. […]
  5. […]
  6. um andere geeignete Formen der Hilfe und Unterstützung für Menschen mit Behinderungen zu fördern, damit ihr Zugang zu Informationen gewährleistet wird;
  7. um den Zugang von Menschen mit Behinderungen zu den neuen Informations- und Kommunikationstechnologien und -systemen, einschließlich des Internets, zu fördern;
  8. um die Gestaltung, die Entwicklung, die Herstellung und den Vertrieb zugänglicher Informations- und Kommunikationstechnologien und -systeme in einem frühen Stadium zu fördern, sodass deren Zugänglichkeit mit möglichst geringem Kostenaufwand erreicht wird.

 

Das Behindertengleichstellungsgesetz (BGG), § 4 Barrierefreiheit

Barrierefrei sind […] Systeme der Informationsverarbeitung, akustische und visuelle Informationsquellen und Kommunikationseinrichtungen sowie andere gestaltete Lebensbereiche, wenn sie für Menschen mit Behinderungen in der allgemein üblichen Weise, ohne besondere Erschwernis und grundsätzlich ohne fremde Hilfe auffindbar, zugänglich und nutzbar sind. Hierbei ist die Nutzung behinderungsbedingt notwendiger Hilfsmittel zulässig.

 

Der Irrgarten des Staates – wer suchet, der findet nicht – Unser Vorschlag: „Erklärbär Deutschland“

Es bräuchte eine Webseite, auf der sich Bürger:innen zu allen Themen der Verwaltung, die ihn/sie betreffen, belesen können.

Schnelle Fragen zum Schluss

  1. Wofür steht die Regierung bzw. die Politik heute in deiner Wahrnehmung?
  2. Wenn du eine Sache in diesem Land verändern könntest, was wäre es?
  3. Wann ist es genug?

 

 


Quellen

Die Word-Dokumente und PDF’s hier zum Herunterladen für euch:

Bau- und Umweltrecht_Schemata

Meine Prüfschemata für Leistungsprüfung SGB II und XII

Hauptantrag ALG II_Welche Unterlagen werden benötigt

ein Beispiel einer Anspruchsprüfung mit zugehöriger Berechnung des Anspruchs auf Leistungen nach dem SGB II oder XII

 

Zu meinem Gast Jakob

Instagram:         @wischu2911

 

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1 Kommentar

  1. Pingback:#24 „Neuanfang heißt neu anfang‘!“ – HART ABER VAZI

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